Schleswig-Holstein als Ein- und Auswanderungsland von der Prähistorie bis zur Gegenwart
Mit dem ausführlichen Untertitel gibt Dirk Meier in seiner neuen Publikation die Themenvielfalt vor, die dieses Buch für uns Leser bereithält. In einem ansprechend formulierten Vorwort weist er auf die Methodik des Vorgehens hin, und die fünf Oberkapitel informieren über die Generalthemen: 1. Prähistorische Wanderungen, 2. Wanderungen in der Eisen- und Völkerwanderungszeit, 3. Einwanderungen im Mittelalter, 4. Migrationen in der frühen Neuzeit, 5. Zwangs- und Wirtschaftsmigrationen in der Neuzeit.
Meier beginnt mit einer Gegenüberstellung von Neandertaler und Homo Sapiens, und wir erfahren außerdem einiges über die mobilen Kulturen des Mesolithikums, der Zeit um 9.500 Jahre vor Christus. Es wird deutlich, wie wichtig für die Region die aus dem Süden „eingewanderte“ Landwirtschaft in der Zeit des Jungneolithikums war. Wir erhalten darüber hinaus Informationen über die Wanderungen der Schnurbandkeramiker und in der Bronzezeit allgemein.
Mit der Darstellung der Migrationen der Kimbern, Teutonen, Ambronen und Langobarden sind wir in der Zeit der Völkerwanderung angelangt. Angeln und Sachsen fallen im keltischen England ein und gründen dort Reiche. Der Artus-Mythos zeigt, wie diese Zeit der Umformung der britischen Insel sich als Sage abbildet.
In das Vakuum, das Angeln und Sachsen in ihren Herkunftsregionen hinterlassen haben, stoßen slawische Einwanderer im Mittelalter. Kern dieser Besiedlung ist der Plöner See. Auch die Friesen wandern gleichzeitig in den Nordseeküstenbereich ein. Und es gibt den sogenannten Landesausbau als Prozess der Urbarmachung von Mooren und Marschen, der umfangreichen Rodung bis dahin undurchdringlicher Wälder, der Gründung von Dörfern und Kirchen bei einer steigenden Bevölkerungszahl.
In der frühen Neuzeit spielt die Einwanderung von Holländern als Spezialisten für Deichbau und Küstensicherung in Nordfriesland und an der Nordseeküste allgemein eine große Rolle. In Christiansfeld entsteht mit der „Herrnhuter Brüdergemeine“ ein religiös motiviertes neues Einwanderungszentrum. Darüber hinaus nimmt die Entwicklung der Heide- und Moorkolonisation im 18. Jahrhundert im Buch eine Sonderstellung ein: Ausführlich werden die Anfänge und das fatale Ende dieses vom dänischen König begonnenen Ansiedlungsversuchs von Menschen aus Süddeutschland in der Schleswigschen Geest geschildert.
Der Einwanderung nach Schleswig-Holstein steht eine Auswanderungswelle im 19. Jahrhundert entgegen. Aus wirtschaftlichen und politischen Motiven heraus emigrierten viele Menschen über Hamburg und Bremerhaven bevorzugt in die USA. Wie gefährlich eine solche Unternehmung war, spricht für sich: Allein zwischen 1847 und 1853 gingen 49 Auswandererschiffe bei der Atlantiküberquerung verloren.
Einen Schwerpunkt in diesem Buch stellt ein ganz dunkles Kapitel in der Geschichte Schleswig-Holsteins dar, nämlich das der Vertreibung der Juden in der Zeit des sogenannten Dritten Reiches. Ausführlich wird die Flüchtlingssituation nach dem Zweiten Weltkrieg dargelegt: die Mammutaufgabe, die damals darin bestand, eine Vielzahl von Flüchtlingen aus Ostpreußen, Schlesien und Pommern angemessen zu versorgen in einem durch den Zweiten Weltkrieg verwüsteten Norddeutschland.
Und natürlich beschreibt Meier die Flüchtlings-Situation in unseren Tagen, die er mit einem einleuchtenden Appell beschließt:
„Die wesentliche Grundvoraussetzung für eine gelungene Integration sind gegenseitiger Respekt, kulturelle Akzeptanz und Toleranz sowie Gleichberechtigung auf den
auch von den Flüchtlingen anzuerkennenden Werten des Grundgesetzes. Dass Einwanderer ebenso wie Einheimische an ihren kulturellen Bräuchen festhalten, ist verständlich, denn ‚Zukunft bedarf
Herkunft‘, um mit dem Gießener Philosophen Bodo Marquard zu sprechen. Es sollte mit diesem Buch die Erkenntnis wachsen, dass Migrationen mit allen ihren Aspekten ein Teil der
schleswig-holsteinischen und europäischen Geschichte sind, damit dadurch ein friedliches Miteinander gefördert werden möge.“
Dirk Meier hat einen beeindruckendes Buch geschrieben. Schön, dass auch dieser Titel wiederum großzügig mit Grafiken und Diagrammen ausstattet ist, die seine
Thesen plastisch werden lassen. Ein Dankeschön auch an den Verlag: Durch das gewählte Papier können eben diese Grafiken, Diagramme und Texte gut miteinander kombiniert werden, und das zu einem
vergleichsweise günstigen Preis.
Dieses Buch ist im Verlag Boyens erschienen und kostet (nur) 22 Euro.
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