In Memoriam John Abercrombie

In Memoriam John Abercrombie

Am 22. August ist er gestorben mit gerade mal 72 Jahren. Die Kritik ist sich einig: er war einer der ganz großen, einer der Stilprägenden, ein Meister der Guitarre und der Mandoline, wie ich finde, der leise nuancierten Töne und der erstaunlich fingerfertig vorgetragenen Läufe. Und ich habe die Musik von und mit ihm, die ich besitze, erneut aufgelegt, also 8 bzw. 9 Alben aus dem Regal rausgefischt, alle bei ECM erschienen, diesem wunderbaren kleinen Label aus München.

 

Schnell haben sich beim Hören Gruppen herausgebildet, die durch die Besetzung begründet sind. Zum einen die Formation mit Jan Hammer und Jack de Johnette mit dem Album „Timeless“ aus dem Jahre 1975, verstärkt um den Trompeter Mike Brecker auf „Night“ in 1984. Gerade „Timeless“ hat nichts von seinem ursprünglichen Charme verloren. Die Stücke stehen für die verschiedenen Arten des Guitarrenspiels von Abercrombie: „Red and Orange“ für die kraftvolle, fetzige Darstellung, „Ralph’s Piano Waltz“ und das titelgebende „Timeless“ für eine lyrisch-sensible Musik. Auch wenn „Night“ nicht ganz die Dichte und Originalität ihres Vorgängeralbums erreicht, macht es viel Freude, diesem Quartett zu lauschen.

 

Die Kritik hat die Trioaufnahmen mit Dave Holland und JackDeJohnette, also „Gateway“ (1975) und „Gateway 2“ (1995), besonders gewürdigt. Verständlich, denn auf diesen Alben teilt sich eine unglaublich dicht musizierte Jazz-Kammermusik mit, über der die Guitarre Abercrombies wie eine aufgehende Sonne klingt. Das gilt ganz uneingeschränkt auch für die Quartettaufnahmen mit Richard Beirach, Georg Mraz und Peter Donald auf „Arcade“  von 1979 und „Quartet“, erschienen 1980. Es ist eine große Freude zu hören, in welcher Art sich Beirach und Abercrombie die Themen quasi zureichen und weiterentwickeln und wie Mraz und Donald sich in dieses Gespräch unter Musikern gekonnt einmischen.  Die SoloLP „Characters“ fällt ein wenig aus dem Rahmen: allein auf sich gestellt, übt Abercrombie hier ganz unterschiedliche Funktionen aus, gibt ein rhythmisches Fundament, begleitet und brilliert mit einer über allem schwebenden Mandolinenlinie, ganz wunderbar.

 

Wie wichtig Abercrombie als Begleitmusiker sein konnte, wird an einem anderem Album deutlich, das Enrico Rava mit ihm in 1977 aufgenommen hat. Wer wissen möchte, wie sich ein Musiker, der nicht führt, trotzdem phänomenal einbringen kann, braucht sich nur das recht ungestüme Titelstück „The Plot“ einmal genauer anzuhören. Erstaunlich und außergewöhnlich, wie der Begleitende die Melodielinie unterstützt, mit der Trompete dialogisiert, um dann mit einem eleganten Schlenker in eine gänzlich unterschiedliche, neue Phrase überzugehen und dadurch  musikalisch neues Terrain zu erschließen. Kein Wunder, dass Abercrombie ein gesuchter Sideman war: nicht nur Enrico Rava, sondern auch Gato Barbieri, Gil Evans und viele andere schätzten sein elegant-flexibles Spiel.

 

„Current Events“, meine letzte Abercrombie LP aus dem Jahre 1986, hab ich besonders gerne erneut gehört, zeigt sie mir doch deutlich an, dass Abercrombie auch durchaus in eine elegant populäre, aber niemals einfallslose Musikrichtung zielen konnte. Es ist traurig, dass ich diesen Guitarrenmagier nie live erleben konnte. Aber es bleiben zum Glück die Musik aus den hochwertigen Konserven von ECM.

 

Schade: ich hatte die Firma ECM mehrfach gebeten, mir eine Abbildung der entsprechenden LP Cover zu erlauben, habe aber bis heute keine Antwort erhalten. Der Blick auf die Seiten des CD Vertreibers JPC bestätigt allerdings, dass es einige der erwähnten Titel als CD Aufnahme nicht mehr gibt, vielleicht auch nie gegeben hat. Zum Nachhören, Nachprüfen und Vergleichen hilft da dann nur der Gebraucht-platten-handel. Es lohnt sich uneingeschränkt!

 

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