Frank Bösch - Zeitenwende 1979

Frank Bösch: 1979 Die Zeitenwende

 

 

 

Können Sie sich noch erinnern, was Sie 1979 getan haben? Was für Sie persönlich besonders wertvoll und wichtig war oder welche politischen Ereignisse Sie umgetrieben haben? Zwei Themen aus diesem Jahr sind mir in Erinnerung geblieben, viele andere finden zusätzlich Eingang in das neue Buch von Frank Bösch.

Da war zum einen die Heimkehr des exilierten Ayatollah Khomeini nach Teheran. Die war dem „Spiegel“ aus jenem Jahr mehrere ausführliche Artikel wert, die ich mit großem Interesse gelesen habe. Bei Bösch erfahren wir, wie Khomeini per Flugzeug in seine alte Heimat zurückkehrte und wie die ganze Welt per Fernseher live dabei war. Der Schah hingegen verließ das Land.

 

 Wir werden informiert, wie sich die iranische Revolution zunehmend radikalisierte, indem zum Beispiel die Revolutionsgarden Rache an den ehemaligen Anhängern des Schahs übten. Immer mehr wurde im Laufe des Jahres deutlich, dass Khomeini einen ganz anderen Staat, nämlich einen islamischen Gottesstaat durchsetzte, in dem die bürgerlichen Freiheiten – gerade die der Frauen – sehr schnell eingeschränkt wurden.

 

Der Sturm einer radikalen Gruppe auf die amerikanische Botschaft, deren Eroberung und die Geiselnahme der US-amerikanischen Personals stellen einen Endpunkt dieser Entwicklung dar. Erst nach Monaten erhalten diese Personen unter westdeutscher diplomatischer Beteiligung die Freiheit zurück. Die bewusste Demütigung der Weltmacht USA kann als Signal an die damals sogenannte Dritte Welt betrachtet werden, eigene Wege der Entwicklung zu suchen. Khomeini betrachtete seinen Staat als Modell für den Nahen Osten.

 

Zum anderen gab es den Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan. Auch hier verdeutlicht Bösch die Vorgeschichte, die der des Iran in Vielem ähnelt. Während die Einwohner Kabuls mehrheitlich eher westlich bzw. neutral eingestellt waren, dominierten auf dem Land die islamischen Widerstandsgruppen, die zunehmend Einfluss gewannen und Attentate – auch – auf Ausländer verübten. Der bereits 1978 ausgerufene Dschihad, der sogenannte Heilige Krieg, gegenüber Kabul richtete sich gegen die aus dem Westen und von der Sowjetunion geleistete Entwicklungshilfe, gegen die Gleichstellung von Frauen und natürlich auch gegen die beabsichtigte Bodenreform.

 

Die Führung der Sowjetunion schätzte die Sachlage völlig falsch ein. Die geplante militärische Blitzaktion, die im Dezember 1979 begann, endete in einem mühsamen Partisanenkrieg, bei dem es der Besatzungsmacht nie gelang, das ganze Land zu kontrollieren. Und schlimmer: Die Sowjetunion wurde weltpolitisch an den Pranger gestellt und isoliert; gerade in der sogenannten Dritten Welt wuchsen die Vorbehalten gegen beide, USA wie UdSSR.

 

Der Schwächung der beiden Großmächte entsprach dagegen ein Wandel in China. Unter Deng Xiaoping öffnete sich das Land gegenüber dem Westen und versuchte, durch die Intensivierung der Handelsbeziehungen seinen Rang in der Weltwirtschaft zu verbessern. Lange Jahre hatte sich das Land unter Mao abgeschottet und jegliche wirtschaftlichen Weiterentwicklung konsequent verweigert. Nun setzte die Führung in Peking auf Joint-Ventures mit den Unternehmen des Westens und versuchte ganz allgemein, Löhne, Produktivität und Infrastruktur zu verbessern. Wer aber geglaubt hatte, dass diese Lockerung der Struktur im wirtschaftlichen Bereich auch politisch zu Buch schlagen sollte, wurde sehr schnell eines anderen belehrt. 1989 kommt es zur blutigen Niederschlagung der studentischen Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens.

 

Mit derselben Genauigkeit wie zuvor untersucht Bösch noch einige andere politische Themen dieses Jahres: Die Reise Johannes Pauls II. nach Polen, die zu einer Herausforderung für den Sozialismus dort wird. Die Revolution in Nicaragua, die zu einem starken Engagement beider deutscher Staaten führt. Die „Boat People“ aus Vietnam, die die Bundesrepublik und die DDR zu humanitärem Engagement veranlassen, das aber in Teilen der Öffentlichkeit durchaus kritisch gesehen wird. Die Wahl der konservativen Margaret Thatcher, die in Großbritannien eine neoliberalen Wende hervorruft. Die Parteigründung der Grünen in der BRD, die der ökologischen Bewegung ein Gesicht und eine parlamentarische Plattform gibt. Die zweite Ölkrise, die das Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit für die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft vom Öl schärft und einen ersten Anlauf zum Ausbau regenerativer Energien erzwingt. Der AKW-Unfall von Harrisburg, der eine breite, supranationale Anti-Atomkraft-Bewegung fördert. Die Fernsehserie „Holocaust“, die der Weltöffentlichkeit zu einer gewandelten Geschichtskultur im Umgang mit dem „Dritten Reich“ verhilft.

 

In einem Epilog verdeutlicht Bösch nochmals seine These, dass das Jahr 1979 eine Zeitenwende gewesen ist. Ich stimme ihm nach der Lektüre gern zu und empfehle dieses ausgezeichnete Buch wärmstens. Es ist unter der EAN 978 3 406 73308 6 im Beck Verlag erschienen und kostet 28 Euro.

 

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