Michael Schikowski - Der Buchhandel

Michael Schikowski: Der Buchhandel – Kultur und Krise

 

 Kein Zweifel, der Buchhandel in Deutschland im Jahr 2020 steckt in einer schwierigen Situation: Die Buchauflagen sinken, die Verlags- und Buchhandelskonzentration schreitet scheinbar unaufhaltsam voran, die Firma mit dem großen A und den schlechten Arbeitsbedingungen zieht immer mehr Umsatz an sich, fast alle Stufen des verbreitenden Buchhandels geraten zunehmend unter  Druck. Ein Beispiel: die Pleite der Firma KNOE/KV im Juni 2019. Vom lautlosen Sterben der kleinen Buchhandlungen, die keine Nachfolgeregelungen finden bzw. nur mehr als Filialunternehmen weitergeführt werden können, ganz zu schweigen.

 

Zeit, so findet Michael Schikowski, ausgebildeter Buchhändler und Verlagsvertreter, um sich einmal grundsätzlich Gedanken über den Sortimentsbuchhandel zu machen. Dabei ergibt sich ausgehend vom Roman als typischem Betätigungsfeld der Buchhändlerin und des Buchhändlers der charakteristische Dipol von Nachdenklichkeit und Zurückhaltung. Heutzutage aber ist es wichtig, trotzdem einen  Codex zu entwickeln, der in die Zukunft führt. Denn anders als von oft fachfremden Betriebsberatern vorgeschlagen, geht es bei der Betrachtung der Buchhandlung nicht nur um Kennzahlen, sondern auch um „kulturelles und soziales Kapital“.

 

Neugier kennzeichnet Buchhändlerinnen und Buchhändler. Im engen Kontakt zum Vertreter wird gekauft, was vor Ort erfolgreich sein kann. Der besondere Roman, der selten spontan zum Bestseller wird, besitzt einen immateriellen Wert für sich, der nicht allein dem Verkauf geschuldet ist. Die Buchhändlerin, der Buchhändler bietet diesen dem Kunden an, der ihn in der Lektüre auf seine Weise aktualisiert. Das ist je nach Romangenre durchaus verschieden, aber gerade der besondere Roman  erfasst den Leser ganz und ermöglicht ihm „Konzentration und Konstanz“.

 

Wichtig ist die gedruckte Vorschau als „Katalog und Journal“, in der der Verlag der Buchhändlerin und dem Buchhändler eine strukturierte Einführung in die Welt der zweimal pro Jahr erscheinenden Novitäten anbietet. Über bereits gelieferte oder noch zu bestellende Leseexemplare wird versucht, den jeweiligen Kundenkreis zu bestimmen und zu erreichen. Ob sich diese wichtige Auswahlarbeit auch durch elektronische Bestellmedien und die neue „Empfehlungskultur der ,Influencer‘“ leisten lässt, stellt der Autor in Frage.

 

Noch wichtiger aber ist der Verlagsvertreter: Denn wenn er im Sortiment einerseits zu viele oder die falschen Bücher empfiehlt, darf er nicht wiederkommen. Andererseits muss er im Verlag die Interessen des stationären Sortimenters vertreten, indem er zum Beispiel den Schutzumschlag auswählt, der den Endkunden auch tatsächlich anspricht. Es gibt den Vertreterbesuch im Laden, es gibt die Vertreterbörse, in der Regel zweimal im Jahr. Beides ist, wie das Gespräch der Buchhändlerin und des Buchhändlers mit dem Kunden vor Ort, unverzichtbar.

 

Buchhändlerinnen und Buchhändler müssen sich zum einen von ihrer Lektüre beeindrucken lassen, zum anderen müssen sie ihre Eindrücke überzeugend weitergeben. Eine solche Beratung fällt auf fruchtbaren Boden, weil die Generation der Babyboomer noch nicht digitalisiert aufgewachsen ist und viele kulturelle Bereiche bestimmt. Mit der schrumpfenden und sich neu ausrichtenden Mittelschicht unserer Tage geht ein enormer Rückgang der Buchkäufe einher. Aber wird die Automation des Buchhandels, der zunehmende Einsatz von Algorithmen diesen Rückgang aufhalten? Wohl eher nicht, denn Buchkultur ist nicht auf diese Weise berechenbar.

 

Buchhandlungen sind – eine Besonderheit unserer Branche – „demokratische Orte“, in denen Hierarchien abgeflacht werden. Und während die Bestsellerliste eben ein Zeichen des „Käufermarktes“ ist, bleibt die auf Literatur spezialisierte Buchhandlung ein „Verkäufermarkt“. Für ihn ist sorgsam ausgewählte Ware vonnöten, die durch den Vertreter befördert, durch den Buchhändler ermöglicht und durch den Verleger transportiert wird.

 

Ich danke dem Autor für die Verteidigung des sperrigen Kulturgutes Buch, seinem Verleger für die Veröffentlichung seiner Thesen und beiden für Ihr Engagement in Sachen Buchvermittlung durch engagierte Einzelunternehmen. Wer sich die Zahlen im letzten BuBiZ – Buch und Buchhandel in Zahlen – auf das Jahr 2019 anguckt, wird erstaunt sein, dass die in diesem Buch vertretenen Thesen durchaus eine materielle Entsprechung haben.

 

Dies nicht nur für Buchhändler wichtige Büchlein ist unter der ISBN

978-3-95903-008-3 im Verlag Bramann zum Preis von 12 Euro erhältlich.

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