Im Jahr 1881 durchquerten Jules Verne und sein Bruder Paul mit der Dampfyacht Saint-Michel des damals schon hochberühmten Autors Schleswig-Holstein. Der übersetzte Text, der diese Fahrt beschrieb, erschien zuerst bereits 1882 im Wiener Verlag Hartleben. Paul Verne hatte ihn verfasst und sein Bruder hatte die Reiseerzählung auf Anraten seines Verlegers Pierre Jules Hetzel ein wenig „aufgepeppt“. Hartleben wiederum hatte daraus zu „deutschenfeindliche Passagen“ eliminiert.
Jules Verne reiste, so oft er konnte, und war ein großer Freund des Meeres. Zusammen mit seinem Bruder unternahm er allein vier europaweite Kreuzfahrten. Auf etwa sechzig Seiten beschreibt Paul Verne in diesem Buch die Fahrt 1881 von Rotterdam nach Kopenhagen und zurück. Der Text selbst kommt recht einfach daher: Neben den Stationen der Reise beschreibt Verne sehr liebevoll den Aufbau der Dampfyacht, die einzelnen Mitreisenden, den Buffopart dieses Textes, einen sehr eigenwilligen Lotsen namens Thomas Pearkops, und die Reiseerlebnisse insgesamt. Dabei wird ein erzählerischer Schwerpunkt auf die Fahrt durch den Eiderkanal gelegt, was dem Buch einen festen Platz in der Regionalkultur Schleswig-Holsteins gesichert hat.
Was aber macht den Wert der jetzigen Neuausgabe durch Frank Trende aus? Es sind vor allem die zusätzlichen Einführungen durch den Herausgeber und durch den Vernespezialisten Volker Dehs. Dieser ordnet den Text in das Leben und das Œuvre Vernes ein, wodurch sich für den Leser schon interessante Neuigkeiten ergeben. Denn dieser Reisebericht wurde auf Intervention des Verlegers deutlich geändert und zudem gemeinsam mit einem zur selben Zeit im Entstehen begriffenen Roman „Die Jangada“ in einem Band herausgegeben. Dehs verweist zudem auf die in dieser Zeit entstandenen schroffen Gegensätze zwischen Deutschen und Franzosen, die zum Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 führten, dessen Folgen auch in diesem Text verortet werden können.
Noch wichtiger aber scheint mir die Einführung durch Frank Trende zu sein, die sich auf die Fahrt durch Eider und Kanal bezieht. Trende schlägt einen weiten Bogen, beschreibt unter anderem die vielen Pläne, die es gegeben hat, um überhaupt eine Verbindung zwischen Nord- und Ostsee zu schaffen und damit die gefährliche Umrundung des Skagerraks zu vermeiden. Er erzählt ausführlich von der Entstehung des Eiderkanals, von den Plänen dafür und deren mühseliger Umsetzung. Der vom dänischen Staat projektierte und gebaute Eider- oder auch Schleswig-Holsteinischer Kanal wurde im Oktober 1784 vollendet und war damals der größte seiner Art in Europa. Trende beschreibt die positiven Entwicklungen, die der Kanal auf die Infrastruktur der Region ausübte. Ein Beispiel sind die Packhäuser, die an den verschiedenen Stationen von Tönning über Rendsburg bis Kiel entstanden und zum Teil ja heute noch vorhanden sind.
Wie schön, dass der Verlag Boyens, in dem dieses kleine Büchlein unter der EAN 978 3 8042 1515 2 zum Preis von 16,95 Euro erschienen ist, so viel Mühe bei der Herstellung aufgewendet hat. Ein wunderbares Geschenk für alle Liebhaber der Regionalliteratur und für Menschen, die ein gut geschriebenes Stück Reiseliteratur zu schätzen wissen.
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