Wer sich zurzeit ins Stadtmuseum in Schleswig begibt, kann dort die Fotografien von Alastair Magnaldo bewundern. Der gebürtige Brite, der heute in Frankreich wohnt, bietet den Betrachtenden eigenartige, fast surrealistisch zu nennende Darstellungen, die stark verfremdet sind.
Der Flyer für diese Ausstellung zeigt ein typisches Beispiel. Abgebildet wird eine elektrifizierte, zweigleisige Bahntrasse. Eine Person in Jeans und mit geringeltem T-Shirt, deren Gesicht aber durch einen rosaroten Regenschirm verdeckt wird, versucht, eine unglaublich riesige Weinbergschnecke über die Gleise zu ziehen. Ein sich nähernder Zug ist zum Glück nicht zu erkennen.
Das Tier hat seine Fühler ausgefahren, bewegt sich aber – seinem Wesen gemäß – langsam. Zu langsam? Hilft uns der Rest der Fotos weiter, wenn wir die Frage nach einer Gefahr beantworten wollen? Nicht unbedingt: Die Landschaft ist nicht urban, im Hintergrund gibt es eine dünne Waldlandschaft auch Wiesen, aber auch einen Weg, der hinter einem Sicherungskasten in den Hintergrund verläuft.
Neben der überdimensionierten Schnecke macht der Graswuchs im Vordergrund deutlich, dass etwas in dieser Darstellung nicht stimmt. Denn von links vorne in der Fotografie wächst Gras über den Schotter. Das Gleis, an dem die Person versucht, die Schnecke über die Gleise zu bekommen, ist auch schon halb überwuchert.
Unwillkürlich stellen sich dem Betrachter Fragen: Obwohl die Gleise nicht verrostet wirken, passt der Bewuchs mit Gras nicht zu einem regelmäßigen Zugverkehr. Ist diese Strecke überhaupt noch befahren? Warum ist die Schnecke beinahe so groß wie die Person, die sie an der Leine über die Gleise führt? Hängt die Größe der Schnecke damit zusammen, dass sich etwas ereignet hat, was den Zugverkehr zum Erliegen und die Natur zum übermäßigen Wachsen gebracht hat? Wie ist die Farbe des Himmels zu deuten, der grau und – wie ich finde – bedrohlich über der beschriebenen Szene hängt?
Die von Magnaldo geschaffenen Bildwelten bilden ganz unterschiedliche Wirklichkeiten ab. Auf einem anderen Bild wässert ein kleines Mädchen in einer Wüstenlandschaft kleine Grasflächen. Andere Pflanzengebilde und sogar kleine Bäumchen bewegen sich in der Luft, festgehalten an einer Art Schnur, die an einer überdimensionalen Gießkanne befestigt ist. Offensichtlich geschieht dies bei Sonnenaufgang. Auf einem anderen Foto ist eine Eislandschaft zu sehen, die von einer Lampe beleuchtet wird. In der Mitte des Eises gibt es ein Wasserloch, in dem ein blühender Baum steht.
Besonders beeindruckend eine Waldlandschaft, die quasi überhalb einer Teerstraße liegt, so, als ob sie die Straße friedlich zudecken würde. Magnano fragt also ganz spielerisch nach unserer Vorstellung von Wirklichkeit, spielt mit unserer Wahrnehmung, ermöglicht auf seine Art neue, andere Welten.
Die Ausstellung „Other Worlds“ von Alastair Magnaldo ist noch bis zum 12. September 2021 zu sehen. Der Eintrittspreis in Höhe von 5 Euro ist mehr als angemessen. Mir hat es dort ausnehmend gut gefallen.
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