Zwei neue Bücher über die Nordseeküste SH

Willi Hansen: Die Sturmflut, die Nordfrieslands Küste formte

Dirk Meier: Die Nordseeküste Schleswig-Hosteins – ein historischer Atlas

Wir leben in einem Land, in dem andere gerne Urlaub machen, zum Beispiel auf Pellworm oder Nordstrand, überhaupt an der gesamten Nordseeküste. Spätestens nach der ersten Wattwanderung oder bei der Fahrt auf der Fähre zu einer der Inseln oder Halligen ergeben sich in dieser beeindruckenden Umgebung Fragen nach ihrer Geschichte. Der kleine, aber feine Regionalverlag Boyens aus Heide bietet in seinem Herbstprogramm gleich zwei Bücher, die uns Antworten geben.

Zum einen in Willi Hansen: Die Sturmflut, die Nordfrieslands Küste formte. In diesem schmalen Bändchen geht es um das Schicksal der Insel Strand in der Zeit zwischen 1612 und 1634, also bis zur großen Burchardiflut, die viele Tausend Menschen das  Leben kostete und die Küste dort entscheidend umformte. Es empfiehlt sich, die Lektüre auf Seite 120 zu beginnen, denn dort gibt es eine Karte und einen historischen Überblick von Dirk Meier, einem Kenner der Geschichte dieser Region.

Spannend liest sich Hansens Text trotzdem, denn die große Flut von 1634 hatte eine interessante Vorgeschichte, die verbunden ist mit dem Schicksal der vom Gottorfer Herzog eingesetzten hohen Verwaltungsbeamten, der Staller, und dem der Großbauern der Insel, die ein gewichtiges Wort mitzureden hatten in der Politik des Gemeinwesens. Und die oft genug vergaßen, dass der teure, sichernde Deichbau oder dessen kontinuierliche Verstärkung nur mit den Kräften aller Inselbewohner zu erreichen war und dass der Geiz einiger ein Unglück für alle bedeuten konnte.

Zum anderen zeigt uns Dirk Meier: Die Nordseeküste Schleswig-Holsteins, ein historischer Atlas, wie bedeutsam Sturmfluten überhaupt für Geografie und Besiedlung dieses Küstenraums waren. Allerdings ist seine Fragestellung weiter gefasst. Sie orientiert sich räumlich und auch historisch am Weltnaturerbe Wattenmeer und versucht, „anhand ausgewählter Küstenregionen die holozäne Landschaftsentwicklung der Nordseeküste von den Niederlanden über Niedersachsen bis nach Schleswig-Holstein und der dänischen Wattenmeerregion“ darzustellen.

Das hört sich abstrakt und sehr wissenschaftsorientiert an, ist aber sprachlich ausgesprochen konkret und übersichtlich, denn in der Regel stellt Meier seinem jeweiligen Text eine oder mehrere Abbildungen gegenüber, sodass Lesende sofort wissen, was gemeint ist. Und so finden sich auf den Seiten 116 bis 140 ganz genau die Themen wieder, die Willi Hansen in seinem kleinen Erzählbändchen behandelt, nämlich die Geschichte der Insel Strand. Nun geht Meier in seinem gut strukturierten Bildband den Dingen viel genauer auf den Grund und erklärt die Geschichte des nordfriesischen Wattenmeers und der dortigen Kulturspuren.

Das Buch stellt vertiefend die Epoche der Burchardiflut zu Rungholt, Alt Nordstrand, Pellworm und Nordstrand dar, weitet aber die Betrachtung um die Zeiten danach und davor. So erfahren wir zum Beispiel über Nordstrand, dass die Wiederbesiedlung nach dem Untergang der Insel Strand nicht etwa durch die Einheimischen erfolgte, sondern durch vom Gottorfer Herzog Friedrich III. eingesetzte reiche „Partizipanten“. Diese waren – anders als die flutgeschädigten Bewohner – finanziell in der Lage, den notwendigen Deichbau deutlich effektiver zu betreiben, und wurden dadurch zu neuen Eigentümern.

Auf Pellworm als einem anderen Rest der alten Insel Strand galt es nach 1634, die Lage der Deiche völlig neu zu bedenken. Denn viele der Innendeiche konnten nicht als Außendeiche genutzt werden. In der Folgezeit mussten daher die Deiche noch einmal zurückgenommen werden, um ein Überleben der Gesamtinsel zu ermöglichen. Auch hier verdeutlichte eine gute Karte die historische Entwicklung.

Meier beschäftigt sich aber nicht nur etwas mit dem nordfriesischen Wattenmeer, sondern natürlich auch mit der Halbinsel Eiderstedt und der Landschaftsgeschichte der Dithmarscher Küste. Einführende Kapitel informieren uns über die Küstenentwicklung von 6500 vor Christus bis heute, über die Sturmfluten der Neuzeit, über die verschiedenen Arten des Deichbaus und die Antworten auf die Herausforderungen, die der Klimawandel für die Bewohner der Regionen bereithält.

Als ob das nicht schon Information genug wäre, präsentiert uns Meier in gewohnter Qualitität und Übersichtlichkeit auch noch Ausblicke auf die Niederländische Nordseeküste, auf die Niedersachens und die Dänische Wattenmeerküste. Ein opulentes Literaturverzeichnis ermöglich eine weitere Vertiefung der einzelnen Themen.

Meine Schlussfolgerung: Dieser sehr schön gestaltete Band gehört unbedingt in die heimische Bibliothek, Abteilung Regionalliteratur. Zusammen mit dem Bändchen von Hansen ist er ein ganz wunderbares Weihnachtsgeschenk für alle Nordseeküsten-Interessierten!

Willi Hansen, Die Sturmflut, die Nordfrieslands Küste formte, Der Untergang der Insel Strand 1634.    ISBN 978-3-8042-1561-0. € 14,95

Dirk Meier, Die Nordseeküste Schleswig-Holsteins, Ein historischer Atlas. ISBN 978-3-8042-1562-7.        € 34,00

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