Wer sich mit der Klosterkirche Preetz beschäftigt, tut gut daran, eine kleine Einführung in die Geschichte der Klöster Schleswig-Holsteins, geschrieben von Dieter-J. Mehlhorn, „vorzuschalten“. Denn dieses kleine, leider schon vergriffene Bändchen in der Reihe der Kleinen Schleswig-Holstein Bücher bietet einen komprimierten Überblick in Sachen Geschichte der Klöster im Mittelalter und der adligen Damenstifte als deren Nachfolger in der frühen Neuzeit. Zugrunde liegt eine Beschreibung der vier hiesigen ehemaligen Nonnenklöster, darunter auch das des Klosters Preetz in der Form übergeordneter Fragestellungen. Das Bändchen bietet zudem einen guten Literaturanhang, allerdings auf dem Stand des Jahres 2005.
Wesentlich ausführlicher und weitaus mehr in die Tiefe gehend ist Band 1 der Forschungen zu Kloster und Stift Preetz von Ulrich Knapp, „Die Klosterkirche Preetz – Beobachtungen zur Baugeschichte“. Klaus Gereon Beuckers skizziert in seinem Vorwort das Forschungsprojekt Kloster Preetz und formuliert die wesentlichen Grundgedanken des Buches. Es geht natürlich zum einen um die Unterschiede zwischen mittelalterlichen Männer- und Frauenkonventen, die sich auch bautechnisch zeigen, zum anderen natürlich auch um deren Besonderheiten im Rahmen des Benediktinerordens.
Preetz gilt mit seiner Gründung um etwa 1210 als das älteste Frauenkloster Schleswig-Holsteins. In der Geschichte geistlicher Frauengemeinschaften nimmt es damit in Norddeutschland eine besondere Rolle ein, was sich unter anderem in der einzigartigen Anlage des Preetzer Chorgestühls zeigt. Trotz barocker Umformungen gibt es bis heute eine Raumteilung: in den Ort, in dem die Messe durch die Kanoniker gelesen wurde, in den Bereich der Seitenschiffe, die als Grablege der Förderer und Stifter des Klosters vorgesehen waren und in den Bereich der Laienkirche, in dem die Angestellten und Angehörigen des Konvents Platz fanden.
Das Klosterarchiv Preetz bietet eine einzigartige Überlieferung. Zum einen verwahrt es zahlreiche Schriftquellen in Form von Rechnungen und Korrespondenzen, die zu Nachforschungen einladen. Zum anderen können die einzelnen Bauabschnitte durch zahlreiche detaillierte Bauzeichnungen bestens rekonstruiert werden. Bilder und Fotografien ergänzen die Archivbestände.
Keine Kunstgeschichte ohne eine geraffte, präzise Geschichte des Klosters. Sie führt uns von der Frühzeit, der vermutlichen Gründung durch Albrecht von Orlamünde, über die Zeit der Reformation bis in die Jetztzeit, in der die Klosterordnung aus dem 17. Jahrhundert grundsätzlich nach wie vor gültig ist.
Die übergeordnete Kapiteleinteilung zeigt den Rahmen der Darstellung deutlich: Im Hauptkapitel zum überlieferten Baubestand werden die Spuren der Umbauten nachvollzogen, ausgehend von den Renovierungen ab 1800 bis zu den Restaurierungsarbeiten 1891.
Ein weiteres Hauptkapitel widmet sich dem mittelalterlichen Baubestand, in dem die verschiedenen Bereichen des Inneren, u. a. Chor, Mittel- und Seitenschiffe sowie die Westwand beschrieben werden. Außerdem werden Fragen nach den verwendeten Baumaterialien ausführlich beantwortet. Das gilt natürlich auch für das Dachwerk.
Das für mich eindrucksvollste Kapitel ist das mit dem Titel „Inneneinbauten und Aspekte der mittelalterlichen Ausstattung in Hinblick auf die Architekturkonzeption“, hier insbesondere die Ausführungen über das wohl einzigartige Chorgestühl. Wenn man bedenkt, dass bereits im 18. Jahrhundert im Rahmen von Umbaumaßnahmen durch Joseph Eduard Mose ein vollständiger Abbau des Gestühls erwogen wurde und auch die britischen Behörden 1945 einen Abbruch des Gestühls verlangten, kann man froh sein, dass trotzdem ein großer Teil des mittelalterlichen Bestands erhalten werden konnte.
Ausführlich werden die Grabstellen beschrieben, die ja sowohl im Chor der Klosterkirche als auch im Nonnenchor zu finden sind. Ein Grundriss ermöglicht dem Leser eine genaue Zuordnung der einzelnen Grüfte in die Topografie. Das gilt auch für die Bestattungsorte in den beiden Seitenschiffen. Sogar die Geschichte der Grabkapelle, die Margaretha von Sehestedt 1640 erwarb, wird beschrieben.
Es ist nicht sinnvoll, dieses Buch auszuerzählen. Die Sorgfalt des Dargestellten auch in den letzten Kapiteln spricht für sich, so wie der opulente Anhang nichts zu wünschen übrig lässt. Neben einem Katalog der historischen Planzeichnungen, einem Dokumentenanhang und dem gut ausgearbeiteten Quellen- und Literaturverzeichnis gibt es ein gutes Personen- und Ortsregister.
Ein Wort zur Sprache: Sie ist in der Regel so gehalten, dass auch der interessierte Laie dieses wissenschaftliche Buch mit Genuss liest. Über den Verkaufspreis bin ich glücklich. Dieses umfangreiche Buch wäre sicher deutlich teurer geworden, wenn sich nicht eine mäzenatische, aber nicht genannte Instanz an den Kosten beteiligt hätte.
Ein letztes großes Lob an die Gestalterin dieses Bandes Inge Schumacher, Sie macht es den Lesenden durch eine logische, gut zu erschließende grafische Darstellung der wissenschaftlichen Inhalte leicht, denn die Verzahnung von Bild und Text ist mehr als gelungen. Die Qualität der Abbildungen und die typografische Umsetzung sind erfreulich und verdeutlichen manchen eher abstrakten Zusammenhang.
Ein weiteres Lob gilt dem Verlag Ludwig. Durch sein Engagement wurde dieses Projekt erst überhaupt möglich. Es ist schön, dass solch ein eher ausgefallenes Thema seinen Weg in eine Buchpublikation findet. Und das, obwohl das Segment „Regionalliteratur“ von fast allen hier ansässigen Verlagen mittlerweile geradezu stiefmütterlich behandelt wird.
Ulrich Knapp, Die Klosterkirche Preetz, Beobachtungen zur Baugeschichte, Verlag Ludwig, ISBN 978-3-86935-43922, Preis 59,90 Euro.
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